Reisen nach Südamerika, Afrika, Neuseeland oder zum Südpol sind ja gut und schön, aber richtig extravagante Reiseziele sehen anders aus. Für diese außergewöhnlichen Corona-Ferien wollten wir uns zum Abschluss noch ein richtig kniffliges Ziel gönnen. Nach den Sternen greifen war die erste Idee. Nun haben die Sonne, der Mond und all die Planeten um uns herum wirklich sehr schöne Namen, aber ein Aufenthalt auf der Venus oder dem Jupiter wäre in Wirklichkeit doch recht ungemütlich.
Zeitreise
Und so bot sich dann eine Reise in die Vergangenheit an. Früher war ja bekanntlich alles besser und wir entschieden uns für eine besonders sorglose Zeit, unsere Jugend. Accessoires aus dieser Ära gibt es reichlich in unserem Haushalt. Da gerade Kaffeezeit war, wählten wir das lustige Punkte-Geschirr aus den 70er Jahren. Ich band mir ein rotweißes Polka-Dots-Halstuch um und Anton kreierte anstatt Marmorkuchen eine Art Hawaii-Toast für uns. Nur den Kaffee wollten wir uns nicht im Stil der 70er Jahre antun.
German Coffee Idendity
Ob Zuhause oder im Büro, Kaffee wurde in den 70ern in einer komplett aus farbigem Kunststoff bestehenden elektrischen Sodbrennen-Maschine unter Verwendung von vorgemahlenem Kaffeepulver aus dem Vakuumpack zusammengepanscht, um dann auf der Lauwarmhaltefläche stundenlang zu einem Maggi-ähnlichen Gebräu einreduziert zu werden.
Befreiung von der Diktatur der Maschine
Für die Füllung unserer Kaffeekanne gingen wir in der Zeit also lieber noch ein ganzes Stück weiter zurück. Im Jahr 1908 erfand eine gewitzte Hausfrau namens Melitta das entscheidende Hilfsmittel, um das bis dato schludrige Verfahren, bei dem Kaffeemehl und Wasser noch zusammen in die Tasse kamen, zu verbessern. Die Filtertüte entfernte das störende sandige Kaffeepulver und ließ ein typisch deutsches, blitzsauber klares, edel glänzendes Getränk zurück, das schnell vom Luxusgut zum wichtigsten Grundnahrungsmittel aller Deutschen wurde. Kaffee mit Hilfe eines Porzellanfilters zuzubereiten, hat allein schon eine meditative Wirkung. Glücklicherweise haben wir zur Vervollkommnung unserer Zeitreise eine alte mechanische Kaffeemühle.
Der Weg zu Erleuchtung
Der Weg zu mehr Ruhe und Gelassenheit verläuft ruhig und gelassen. Der ZEN-Lehre zufolge lässt nur das absolute Verhaftetsein im Hier und Jetzt den Menschen Eins werden mit dem Universum. Wem die Umsetzung dieser Idee beim Kaffeekochen gelingt, der ist schon auf dem besten Weg, Buddhist oder wenigstens ein ausgeglichenerer Mensch zu werden. Die Benutzung einer mechanischen Kaffeemühle bringt gleichzeitig vitalisierende Bewegung und meditative Entspannung. Beim langsamen Aufgießen des Kaffeepulvers mit heißem Wasser werden gleichsam alle dunklen Gedanken aus dem Leben gefiltert.
Autogenes Kaffeetraining
Wenn man diese traditionelle Form der Kaffeezubereitung täglich übt, kann man eines Tages schon durch die Ankündigung “ich koche uns jetzt erst einmal eine schöne Tasse Kaffee“ stimmungsaufhellende Effekte erzielen. Wie bei Pawlows Hunden setzt die angestrebte körperliche Reaktion, nämlich die Entspannung, dann schon allein durch den wohlklingenden Satz ein.
Das Tao des Kaffees
Kaffeebohnen enthalten unglaublich viele verschiedene Fruchtaromen, die bei einer langsamen, eher hellen Bohnenröstung und mit der beschriebenen Zubereitungsart auch erhalten bleiben. Normalsterbliche Kaffeetrinker schmecken vielleicht nicht sofort alle von Experten genannten ca. 800 verschiedenen Aromen heraus, aber bekanntlich ist ja der Weg das Ziel und ein Weg entsteht dadurch, dass man ihn geht.
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